Orientalischer
Tanz – gestern – heute – morgen
Wohin
geht die Reise?
Ein Thema, über das man Bücher schreiben könnte, und
jeder hätte dazu sicherlich seine ganz eigene Prognose. Daher ist diese
Betrachtung als eine von vielen zu sehen und in erster Linie als Anregung zum
Nachdenken geschrieben. Vielleicht bekommen wir ja auch Feedback und können
endlich mal Leserbriefe veröffentlichen!
Der Orientalische Tanz – und hier rede ich vom „klassisch
orientalischen Tanz“ – hat sich nicht erst heute verändert. Wie wir bereits in
den anderen Artikeln dieses Heftes lesen konnten, gibt es immer
Weiterentwicklungen. So wird sich auch in Zukunft der klassisch orientalische
Tanz weiterentwickeln. Schauen wir gen Osten und auch nach Amerika, sehen wir
eine starke Strömung in Richtung Akrobatik – TanzSPORT. Das wird sicher morgen
die Hauptrichtung sein, die den klassischen Raqs Sharqi bestimmen wird. Damit
wird er aber als Hobby in dieser Form nicht mehr tanzbar sein und seine
Bedeutung als Tanz für Frauen jeden Alters verlieren. Vielleich finden wir ihn
in 10 Jahren im Basisprogramm jeder Tanzschule als „eine“ von vielen
Tanzformen. Die, die den Tanz leben und lehren, haben einen großen Einfluss auf
die Entwicklung des Tanzes und damit eine große Verantwortung. Hier sehe ich vor
allem auch den BVOT in der Pflicht.
Segen oder Fluch?
Wird der klassische Raqs Sharqi ein Tanz im Rahmen des
internationalen Tanzsports, dann wird es geregelte Vorgaben für die Ausbildung
geben, sowohl für die LehrerInnen als auch für die TänzerInnen. Damit wird sich
dieser Tanz in den geregelten Bahnen des DTV bewegen. Wollen wir eine geregelte
Ausbildung und prüfbare Qualifikationen der Lehrkräfte, wird der Weg dahin
gehen müssen. Aber wo bleibt die Seele der Folklore, die gestern noch spürbar
war? Sie wird unter diesen Voraussetzungen auf der Strecke bleiben – so wie es
in Deutschland und vielen „modernen“ Staaten letztendlich keine Folklore mehr
gibt. Die Entfremdung von den Wurzeln eines Volkes ist vielleicht einfach der
Preis, den wir für die „Globalisierung“ bezahlen müssen.
Folklore – eine aussterbende Spezies?
Aus meiner Sicht würde ich heute sagen „ja“! Nicht nur im
Orientalischen Tanz – auch in traditionellen Tänzen anderer Länder ist die
„Globalisierung“ ganz deutlich zu sehen. Der „Missbrauch“ traditioneller Tänze
zu „Fusionszwecken“ ist nicht nur ein Problem der Orient-Tanzszene. Wollen wir
die Wurzeln erhalten, müssen wir sie pflegen – mit Verstand, mit viel Liebe und
fundiertem Wissen. D. h. es muss LehrerInnen geben, die diese Tanzkünste fundiert
kennen und lehren. Ich kann nur hoffen, dass die Foklore hinübergerettet werden
kann in die Zukunft, denn sie ist das Archiv unserer Kulturen und so etwas wie
ein Geschichtsbuch der Völker der Erde. Sie zu verlieren hieße auch unsere
Geschichte zu verlieren – das Wissen über unsere Wurzeln, denn die Bewegung und
die Musik kamen vor der komplexen Sprache. Tanz braucht keine Worte.
Fusionmania?
Alles mit allem zu verschmelzen ist ein ganz zentrales
Zeichen der Zeit. Was steckt dahinter? Immer wieder neue Fusionstile zu
erfinden ist auch ein Mittel, sich ein Alleinstellungsmerkmal zu geben. Der
Wunsch nach Individualität, nach Wiedererkennbarkeit steht hier wohl im
Vordergrund – sich selbst durch „Erfinden von Neuem“ einen Namen geben. Warum
braucht eine Gesellschaft so etwas? Vielleicht weil in dieser Welt der
„Gleichmacherei“ (Wie muss Frau/Mann aussehen und sein!) der Wunsch nach
Wiedererkennbarkeit einfach immer größer wird? Ja, es ist ein Schub von
Kreativität, das darf man dabei nicht vergessen. Und auch das ist ein Motor zur
Weiterentwicklung.
Zukunft ohne Vergangenheit?
… gibt
es nicht. Eine Entfremdung von der Tradition zieht häufig nach der Eskalation
ein „Revival“ des „Alten“ nach sich.
Hier können wir gespannt sein, ob es das beim klassischen Bauchtanz auch geben
wird. Akrobatik und Hochleistungstanzsport werden den Charme und das Herz des
Raqs Sharqi nicht weitertragen. Hier wird der wesentliche Teil einer
Bauchtanzperformance einfach fehlen. Ist der Tanz „verwestlicht“, dann kann man
ihn auch nicht mehr orientalischen Tanz nennen.
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