Samstag, 27. Juni 2015

Profi oder nicht.... DAS ist hier die Frage!


Erstveröffentlichung in der CHorika  3_2013

Habe ich mich im letzten Heft intensiv mit Selbstrespekt und der Entwicklung der Tanzszene im Grundsätzlichen beschäftigt, so haben mich meine Erlebnisse der letzten Wochen dazu bewogen, mich auch mal mit dem Thema Selbstüberschätzung zu befassen.

Da musste ich (als ich als Moderatorin auf einem „open air“ Tanzevent kurzfristig eingesprungen bin) erleben, dass eine Tanzkollegin, die seit ca. einem halben Jahr in einem nahegelegenen Ort unterrichtet, sich von mir als Profitänzerin ansagen ließ mit einer tänzerischen Technikleistung, die ich in meinen Kursen irgendwo im Bereich Mittelstufe einordnen würde. Bitte versteht mich nicht falsch, auch ich habe noch viele Lücken und Lernbedarf, aber ich würde mich auch nie als Profitänzerin bezeichnen (… was ist das überhaupt … eine Profitänzerin? - hier hätte ich mal die Frage, wie wir das definieren möchten ...). Nun, mir blieb fast die Spucke weg dennoch folgte brav der Anweisung. Den Satz „Ich bin schließlich auch ein Profi“ bekam ich an dem Tag übrigens noch ganze zweimal aus anderen Mündern zu hören. Ehrfürchtig versuche ich also, das Gesehene und das Gesprochene irgendwie in Übereinstimmung zu bringen, aber ich habe zugegebenermaßen größte Mühe damit. Wir sind also beim Thema angekommen und ich habe Erklärungsnotstand.

Fragen wir doch mal Wikipedia:

… Die Psychologie ordnet die Selbstüberschätzung in die Kategorie kognitive Verzerrungen ein …

… Menschen mit schwachem Selbstwert können zur Selbstüberschätzung neigen, um von ihren subjektiven oder objektiven Schwächen und Unkenntnissen abzulenken. Sie sind dabei häufig wenig selbstkritisch. Viele versuchen, eine realistische Überprüfung tatsächlicher Fähigkeiten zu vermeiden, zum Beispiel durch Hochmut, oder sich einer solchen zu entziehen. Andauernde Selbstüberschätzung kann zu Misserfolgen und Scheitern führen …

Komisch – da ziehe ich unwillkürlich Parallelen, obwohl ich das nicht möchte. Manchmal zwingen sich einfach Gedanken auf und man versucht sie vehement zu streichen … vergeblich.

Was mich nun interessieren würde, gibt es das nur im OT? Liegt es daran, dass es keine fest vorgeschriebenen Ausbildungsgänge gibt, die geregelt sind und anhand derer man sich einordnen könnte? Eine staatliche Prüfung, wäre das die Lösung? Eine Koppelung der Unterrichtserlaubnis an eine staatliche Lizenz? Andere Frage: Würde dies dem Tanz seine Seele nehmen? Eine Fragestellung, die ich gerne auch einmal diskutiert hätte – mit TänzerInnen, die tatsächlich ihren Lebensunterhalt damit verdienen, und mit HobbytänzerInnen, die sich über ihr Tun ernsthaft Gedanken machen, und mit LehrerInnen mit langjähriger Erfahrung.

Ich jedenfalls bin es Leid, völlig realitätsfremden Kolleginnen mit ihren perfekten Kenntnissen in klassisch orientalischem Tanz, natürlich allen Folkloretänzen – Bollywood, persischem Tanz, Tribal Fusion und meinetwegen auch noch Flamenco – das alles wohlgemerkt in wenigen Jahren erlernt – den Eitelkeitsbauch zu streicheln!

Ganz abgesehen davon, wenn frau mit über 25 das Tanzen beginnt, wie kommt sie darauf, ein „Profi“ zu werden … – also eine Berufstänzerin – wie ich den „Profi“ hier einfach mal definiere – bleiben wir doch auf dem Boden der Realität. Was nicht heißt, dass Frauen über 40 nicht gut tanzen könnten. Für meine Begriffe wird es zumindest im Orientalischen Tanz ab 40 erst richtig interessant und der Tanz auch gefüllt mit dem Stück Weib, welches sich erst richtig jenseits der 30-er etabliert! Mit 20 Jahren, da kann man eventuell daran denken eine Profikarriere einzuschlagen und es bleibt trotzdem die Frage, ob dies ein erstrebenswertes Ziel ist. Ich für meinen Teil empfinde es als Privileg, diese Tanzform als Hobby betreiben zu dürfen, frei entscheiden zu können, wann ich was mache, wie ich es mache und mit wem. Der Profi, der davon leben muss, hat diese Freiheit nicht.

Aber was bedeutet es, wenn Dir Kolleginnen sagen „Ich bin schließlich auch ein Profi“? Dieser Satz beinhaltet einen Vergleich – nämlich „auch“ – also schön … man sieht mich als Profi … das ist zwar nett, würde ich aber so nicht sehen. Des Weiteren impliziert dieser Satz eine Wertung – nämlich „so wie Du“. Man will mir sagen, ich bin genauso viel Wert wie Du. Richtig! Jeder ist so viel Wert wie der Andere! Leute, wo ist das Problem. Warum ist diese Form der Feindseligkeit so wichtig im Leben? Jeder macht „sein Ding“ nach „seiner Facon“. Jeder hat „sein Publikum“, „seine Fans“ – das Spiel „ ich will aber mehr als Du haben“ ist ein Spiel aus dem Sandkasten. Wir sind alle erwachsene Menschen! Kommen wir also auf das Thema der letzten Spiegelbilder zurück – den Selbstrespekt. Vielleicht macht es mehr Sinn, sich auf sich selbst zu besinnen, ein bisschen selbstkritischer zu sein und nicht immer in Konkurrenz treten zu wollen. Das bringt einen langfristig weiter als der Kampf darum, wer den Kopf einen Millimeter weiter vorne hat. Die meisten von uns pflegen ein schönes Hobby und sollten sich ihrer Verantwortung den SchülerInnen gegenüber bewusst sein. Daher vielleicht einfach einmal mehr das eigene Wissen erweitern und weiter lernen statt erbost die Ellenbogen auszufahren und sich den Platz anzueignen, der eigentlich allen gehört!

Gerstern habe ich die Werbung einer Kollegin in der Nähe gefunden. Sie wirbt mit einem Bauchtanzkurs Ü50 im Seniorenzentrum xy, während Ihre weiteren Bauchtanzkurse (wohl für Frauen unter 50) in Turnräumen stattfinden. Ausgrenzung der älteren Kursteilnehmerinnen als Senioren finde ich persönlich sehr grenzwertig!

Ja, ich glaube ich bin gerade ziemlich maulig – aber das wisst Ihr ja – Ich bin eben Ü50 und will noch nicht ins Seniorenzentrum.

 

 

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